Andreas Kenner: „Es leben noch immer zu viele Menschen in Armut“

Podiumsdiskussion „Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“ im Stadthotel Waldhorn in Kirchheim/Teck

Unter dem Motto „Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit – Armut überwinden und bekämpfen, bevor sie entsteht“ diskutierten auf Einladung von MdL Andreas Kenner im mit rund 50 Gästen gut besuchten Stadthotel Waldhorn Dr. Martin Rosemann MdB, Angelika Matt-Heidecker OB in Kirchheim/Teck, Prof. Christel Althaus vom Landesfamilienrat Baden-Württemberg, Eberhard Haußmann Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands Esslingen und Martin Auerbach vom DGB Kreisverband Esslingen. In seiner Begrüßung meinte MdL Kenner, er wolle bewusst über Themen diskutieren, die nicht jeden Tag in der Zeitung und in der Öffentlichkeit präsent sind. Dazu zähle auch das Thema „Armut“: „Wir haben trotz geringer Arbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft noch zu viele Menschen, die von Armut betroffen sind. Mir ist wichtig, dass Armut kein Tabuthema ist und dass wir sie bekämpfen, bevor sie überhaupt entsteht.“

Arbeit ist der beste Schutz vor Armut. Damit das auch so bleibt, bedarf es einer Neuausrichtung der Sozialpolitik. Der Vorsitzende der SPD Landesgruppe Baden-Württemberg im Bundestag, Dr. Martin Rosemann, stellte das Konzept der SPD „Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit: Einer neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“ vor und berichtete welche Maßnahmen die Bundesregierung zum besseren Schutz vor Armut bereits beschlossen hat und welche Maßnahmen noch geplant sind. Das SPD-Sozialstaatskonzept will Antworten auf eine Arbeitswelt im Wandel liefern, die durch Trends wie Digitalisierung und neue Arbeitsfelder bestimmt ist. Ausgangspunkt des Konzepts ist, einen Kulturwandel einzuleiten: Der Staat soll als Partner derjenigen Bürger auftreten, die Sozialleistungen benötigen – und nicht als Kontrolleur. Es soll individuelle, passgenaue Unterstützungen geben und ein „Recht auf Arbeit“. Konkret fordert die SPD-Bundestagsfraktion, den Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben, Hartz IV durch ein Bürgergeld zu ersetzen und Sozialpartnerschaft/Tarifbindung auszubauen. Niederschwellige Hilfen aus einer Hand sind ebenfalls ein zentraler Baustein des Konzepts.

OB Matt-Heidecker betonte in der anschließenden Diskussion, dass die Stadt Kirchheim/Teck bereits viel tue, um Armut auf kommunaler Ebene zu bekämpfen: „Das ist für den sozialen Frieden in der Stadt enorm wichtig.“ Bereits seit 10 Jahren gebe es als Konsequenz eines SPD-Antrags zur Erfassung der Kinderarmut die Initiative „Starkes Kirchheim“, die speziell gegen Kinderarmut vorgeht. Wichtig sei der Stadtpass, der auch Kinder und Erwachsene unterstützt, die an oder knapp über der Armutsgrenze leben. Prof. Althaus meinte, es brauche eine Gesamtstrategie für die Bekämpfung der Familien- und Kinderarmut. Für Kinder brauche es eine eigene Grundsicherung, damit sie unabhängig von ihren Eltern abgesichert sind. Martin Auerbach vom DGB beklagte den rückläufigen Organisationsgrad der Arbeitnehmer innerhalb der Gewerkschaften und forderte einen starken Sozialstaat. Er schilderte aus seiner beruflichen Praxis Behördengänge von Amt zu Amt und sprach sich wie Dr. Martin Rosemann für Hilfen aus einer Hand aus. Eberhard Haußmann stellte klar: „Armut ist eindeutig weiblich“. Davon betroffen seien vor allem alleinerziehende und kinderreiche Frauen. Neben dem fehlenden Geld sei der Mangel an Teilhabe und die Tendenz der Vereinsamung ein großes Problem. MdB Rosemann forderte, mit Verbündeten wie etwa den Gewerkschaften öffentlich stärker über Solidarität zu diskutieren. Die Parteien im linken Lager müssten nach Kompromissen suchen und dürften sich nicht ständig gegenseitig bekämpfen. MdL Andreas Kenner betonte, dass die SPD-Landtagsfraktion die Abschaffung der Kitagebühren fordert, um Chancengleichheit für alle Kinder im Land zu gewährleisten. OB Matt-Heidecker bezeichnete die Gebührenfreiheit im Grundsatz als richtig, wobei sie nicht von den Kommunen gestemmt werden könne. Die nötigen Gelder müssten von Land und Bund kommen.

Aus dem Publikum wurde abschließend Kritik an Leiharbeit und Einkommensungleichheit geübt. Ein Zuhörer betonte, dass man nicht nur über Strukturen sprechen dürfe, sondern immer auch die Würde des einzelnen Menschen im Blick behalten müsse. „Das ist ein guter Punkt, der eigentlich selbstverständlich sein sollte. Menschen brauchen Anerkennung und Würdigung, egal in welcher Lebenslage sie gerade sind“, meinte MdL Kenner abschließend.